Zwei Seiten eines Verkaufsgesprächs
Weil ich nun mehrmals dasselbe Phänomen im Verkaufen beobachten durfte, möchte ich hier mal darüber berichten. Es geht dabei um die verschiedene Wahrnehmung von Verkaufsgesprächen. Das konkrete Szenario spielte sich wie folgt ab:
Ein Berater kommt aus dem Erst-Termin mit dem Kunden. Wir unterhalten uns über den Termin und er sagt zu mir: “Ist richtig gut gelaufen, das Gespräch. Der hat Interesse an den Themen A, B und C und will unbedingt Projekte machen. Ich setze direkt mal ein Angebot auf.”
Am nächsten Tag treffe ich besagten Entscheidungsträger vom Kunden. Wir sprechen über ein paar Themen und ich frag ihn nach dem Termin mit dem Berater. “Ja, das war irgendwie nicht so zielführend. Alles etwas zu oberflächlich für mich. Und die meisten Themen liegen sowieso noch in weiter Ferne bei uns. Lassen Sie uns lieber die konkreten Punkte hier angehen.”
Saßen die beiden im selben Raum?! Oder ist der Berater einfach zu optimistisch? Dass Kunde und Berater eventuell mit einer unterschiedlichen Haltung in ein Gespräch gehen, das ist mir als Begründung zu einfach. Ich denke vielmehr, dass diese Diskrepanz an den folgenden drei Punkten liegt:
Berater sollten nicht verkaufen
Dirk Kreuter witzelt gerne über den Unterschied zwischen Beratern und Verkäufern:
Treffen sich ein Berater und ein Verkäufer abends an der Bar. Sagt der Berater: “Ich hatte heute drei echt gute Gespräche mit Neukunden.” Antwortet der Verkäufer: “Macht nichts, ich hab heute auch nichts verkauft.”
Recht hat er. Und persönlich finde ich es sogar echt gut, dass es einen Unterschied gibt. Berater und Vertriebler haben nämlich zwei komplett verschiedene Aufgaben. Beide wollen einem Kunden zwar helfen, aber auf zwei völlig unterschiedliche Arten, die beide ihre Daseins-Berechtigung haben.
Während der Vertriebler eine passende Lösung für ein Kundenproblem aus seinem bestehenden Katalog heraussucht und anbietet, kommt ein Berater in der Regel, um mit dem Kunden gemeinsam eine Lösung für sein Problem zu entwickeln. Der Prozess ist nicht nur ein komplett anderer, sondern auch die Dauer dessen.
So ist der Verkaufsabschluss für den Vertriebler in vielen Fällen erst mal das Ende des Kundenkontakts. Der Kunde hat gekauft und es geht weiter zum Nächsten, bis er irgendwann wieder über neue Ideen mit dem Kunden spricht. Für den Berater hingegen ist der Abschluss der erst richtige Start im Kundenkontakt. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit.
Das bedeutet: Als Berater im Verkaufsgespräch irgendetwas versprechen, was Du später im Projekt nicht halten kannst, fällt Dir ganz schnell auf die Füße. Oder den Kunden einfach überrumpeln und z.B. Einwände rhetorisch geschickt übergehen, kommt auch wie ein Bumerang wieder zurück. Denn das senkt deutlich die Bereitschaft des Kunden im Projekt mitzuarbeiten.
Was kann da helfen? Sich der eigenen Rolle und Aufgabe bewusst werden, auf jeden Fall. Bist Du Berater? Dann macht es selten Sinn mit der Absicht in ein Kunden-Gespräch zu gehen, ihm etwas Konkretes verkaufen zu wollen. Unvoreingenommen und offen für die tatsächlichen Probleme des Kunden lassen sich die besten Lösungen entwickeln.
Berater verkaufen keine Staubsauger
Jedenfalls in meiner Welt nicht. Was meine ich damit? Es gibt derzeit super Verkaufstrainer auf dem deutschsprachigen Markt: Dirk Kreuter, Tim Taxis, Martin Limbeck, Thomas Bottin, u.v.m. Jeder von Ihnen hat pfiffige Methoden und Techniken parat, sie produzieren großartige Formate und dienen vielen Verkäufern als Vorbilder.
Und in meinen Augen eint die meisten Verkaufstrainer ein Schicksal: Sie trainieren für den kurzen Verkaufszyklus.
Damit sind Käufe gemeint, die oft innerhalb eines einzigen Gesprächs abgeschlossen werden. Die Kaffeemaschine, der Handyvertrag, ja vielleicht sogar ein Auto. Dabei geht es um Entscheidungen, die jeder fällen kann, ohne sich komplett finanziell zu ruinieren (sehr teures Spielzeug mal ausgenommen). Meist geben wir dafür unser eigenes Geld aus und es braucht auch keine Genehmigungen von irgendwem.
Bei Beratungsaufträgen bzw. Projekten für größere Firmen sieht das ganz anders aus. Es geht um deutlich höhere Beträge, komplexere Probleme müssen verstanden werden und mit der ein oder anderen Entscheidung steht und fällt auch der Entscheidungsträger. Dass deswegen ein sechs- oder siebenstelliger Auftrag nicht gleich bei der ersten Tasse Kaffee vereinbart wird, das ist nur logisch.
Diesen Unterschied zwischen kleinen und großen Verkäufen hatte Neil Rackham in den 70er Jahren schon gesehen und dazu geforscht. Herausgekommen ist sein weltberühmtes Buch “SPIN Selling“*. Mit vielen Statistiken zeigt Rackham hier, welche Aspekte bei großen Verkäufen tatsächlich einen Unterschied machen. Und das sind völlig andere, wie bei kleinen Verkäufen.
Aus meiner Sicht sind die drei wesentlichen Unterschiede:
- Probleme identifizieren und gewichten: Mögliche Baustellen beim Kunden zu antizipieren und die mit zielgerichteten Fragen im Gespräch aufdecken ist ein wesentlicher Baustein im SPIN-Selling. Mindestens genauso wichtig ist dann, diese Probleme zu bewerten und zu erfragen, was das konkret für die einzelne Person oder die Firma bedeutet.
- Vorteil ist nicht gleich Benefit: Rackham hat nachgewiesen, dass Vorteile nennen nur bei kleinen Verkäufen zum Erfolg führt. Bei großen Verkäufen braucht es einen explizit genannten Bedarf, damit die Benefits auf fruchtbaren Boden fallen. Und diesen Bedarf mit der Bedeutung für die Organisation deutlich herauszuarbeiten, das ist der intensive Frageteil von Punkt 1.
- Einwandprävention ist effektiver als Einwandbehandlung: Einwände kommen laut Rackham, wenn dem Entscheider etwas noch nicht ganz klar ist. Warum soll er z.B. für ein Projekt so viel Geld ausgeben? Hier stimmt die Gewichtung zwischen Problem und Lösung aus Punkt 1 noch nicht. Das Problem und dessen Auswirkungen muss dann noch mal klar besprochen werden, anstatt als Einwandbehandlung weiter Vorteile aufzuzählen.
(Es trainieren natürlich auch Verkaufstrainer explizit für den langen Verkaufszyklus: Stephan Heinrich möchte ich an dieser Stelle hervorheben.)
Klare Vereinbarungen treffen
Impliziter und expliziter Bedarf, Vorteile und Benefits, oder zu früh zum Abschluss kommen wollen: All das ist Teil des SPIN Sellings von Neil Rackham.
Egal wie das Gespräch mit dem Kunden nun tatsächlich verläuft, ist mir am Ende des Gesprächs eine Sache besonders wichtig. Und das ist, ein gemeinsames Verständnis davon zu haben, was nun als nächstes passieren soll. Obwohl das extrem banal klingt, gibt es viele Termine bei denen die Beteiligten wieder auseinander gehen, ohne etwas Konkretes vereinbart zu haben. Ich schätze, das nennt man dann Schulung?!
Wie schon erwähnt, sind große Projekte selten in einem Gespräch beschlossen. Es gibt zwar am Ende einen großen “Abschluss”, aber unterwegs gibt es immer wieder kleine Zwischen-“Abschlüsse”. Und sei es nur der nächste Termin mit einem Fachbereich oder einer Führungsebene höher.
Sehr oft müssen Entscheider ihre Projekte anderen Managern im Konzern auch präsentieren und verkaufen. Dieses “Durch-Verkaufen” ist deswegen oft Teil des eigentlichen Verkaufs. Es lohnt sich also mit dem Manager gemeinsam in ein Boot zu setzen und ihm zu helfen, die passenden Argumente zu finden oder einen roten Faden für seine Präsentation zu entwickeln.
Ab irgendeinem Punkt im Verkauf wächst das dann zu einer direkten Zusammenarbeit mit dem Kunden heran. Und deshalb gehe ich ungerne aus einem Termin, ohne die nächsten Schritte schriftlich zu fixieren. Ein einfaches “Wer macht Was bis Wann?” in Prosaform reicht da völlig. Das ist zwar kein Hexenwerk, schafft aber Verbindlichkeit und stellt sicher, dass der Anschluss nicht verloren geht.