Berater in der Rezession

Berater in der Rezession

Kurz vorab: Ich bezeichne mich als Optimist. Einen solchen Artikel zum Thema Rezession zu schreiben, macht mir nicht besonders viel Spaß. Trotzdem muss es sein! Denn die wirtschaftliche Situation hat sich in Deutschland und in vielen anderen Ländern in kürzester Zeit so sehr verändert, dass eine Auseinandersetzung damit absolut notwendig ist.

Ja, dieser Artikel thematisiert die Corona-Pandemie, die politischen Maßnahmen und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Effekte. Und nein, ich bin kein Virologe und auch kein Wirtschaftswissenschaftler. Allerdings werden die Auswirkungen auch für Unternehmensberater gravierend sein. Diese Veränderungen möchte ich hier nun beschreiben und ein paar Gedanken teilen, die Dir und Deinem Beratungsgeschäft in dieser Situation helfen können.

Was bedeutet das für Berater?

Als allererste Maßnahme in der Corona-Pandemie wurden die Events und Reisen eingeschränkt. Bei mir hat sich das auf einer Konferenz in Kopenhagen Anfang März bemerkbar gemacht, als plötzlich nur noch die Hälfte der Teilnehmer anwesend waren. Den anderen Teilnehmern wurde nämlich dort schon das Reisen von der eigenen Firma untersagt. Eine Woche später ist leider auch die Vertriebsoffensive* von Dirk Kreuter abgesagt worden, die im März stattgefunden hätte. Für jeden Berater, der aus Konferenzen und Seminaren seine Kontakte und sein Einkommen bezieht, war das ein erster ordentlicher Einschnitt.

Um die eigenen Mitarbeiter und den Geschäftsbetrieb zu schützen, haben Unternehmen alle Mitarbeiter ins Home-Office geschickt, bei denen die Möglichkeit dazu bestand. Die meisten externen Dienstleister durften demnach ebenfalls nur noch von Remote tätig sein. Den dritten und letzten Schritt sind Unternehmen nur gegangen, wenn sie es wirtschaftlich mussten: Sie haben alle Projekte mit Beratern und externen Dienstleistern pausiert oder ganz gestoppt.

Das hat sich auch bei den Beratungsunternehmen bemerkbar gemacht. Wenn die Branche der aktuellen Kunden besonders betroffen ist, sitzen auch die Berater auf der Bank. Gleichzeitig sind neue Kundenakquisen deutlich schwieriger, weil Termine vor Ort nicht möglich sind. In großen Beratungen wird deswegen in diesen Tagen sehr stark auf die Auslastung geguckt. Und im Zweifel wird dort nicht lange gefackelt: Von einigen Beratungskollegen weiß ich, dass bei ihnen im Unternehmen die Kündigung nahegelegt wird, wenn gerade kein Kunde in Sicht ist.

Auf der anderen Seite glaube ich, dass sich durch die aktuelle Situation viele langfristige Trends deutlich verstärken werden. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Eine De-Globalisierung um die Lieferketten wieder zu kürzen, ein noch stärkeres Wachstum der bereits dominierenden Handelsketten, und natürlich: Die Digitalisierung in Bereichen, wo eine solche Veränderung noch Jahre gedauert hätte. Den Bedarf für Beratung sehe ich also weiterhin, nur verschoben.

10 Tipps für die Krise

Mir ist durchaus bewusst: Wenn Du Dich im Moment in einer schweren gesundheitlichen oder finanziellen Lage befindest, dann führen ein paar schnell daher geschriebene Tipps auf einem Blog keine sofortige Erlösung herbei. Allerdings lohnt sich vielleicht doch ein Blick. In beruflich schwierigen Zeiten können auch schon Kleinigkeiten einen Unterschied machen:

  1. Eine Frage der Perspektive: Krise bedeutet übersetzt nichts anderes als “Entscheidung”. In schwierigen Zeiten musst Du Dich also für einige Dinge bewusst entscheiden, und dafür gegen manch andere. Beispielsweise für einen neuen Job und gegen einen kürzeren Weg zur Arbeit. Damit Du Dich der Entscheidung nicht verwehrst und sie auch klug treffen kannst, musst Du vor allem Deine aktuelle Situation akzeptieren so wie sie ist.
  2. Zeit für Reflektion: Nicht im Alltagstrott zu sein, hat manchmal wunderbare Nebeneffekte, die Du für Dich nutzen kannst. Beim Spaziergang oder abends auf dem Balkon kannst Du für Dich klären: Was für Ziele habe ich eigentlich im Leben? Ist das auch sinnstiftend? Und passt mein Leben noch zu meinen Zielen?
  3. Optimistisch bleiben: Optimismus bedeutet für mich, eine positive Einstellung zur aktuellen Situation zu finden. Damit meine ich nicht, mit der rosaroten Brille herumzulaufen, sondern einen Fokus auf die positiven Dinge zu haben, ohne die Negativen auszublenden. Ein Beispiel: Maximal einmal am Tag die Nachrichten konsumieren, um Bescheid zu wissen, wo gerade Missstände in der Welt sind. Danach ist dann wieder Zeit für alles andere, was Du gerade selber beeinflussen und verbessern kannst.
  4. Finanzen im Blick behalten: Im Moment finde ich es besonders wichtig, liquide zu bleiben. Das bedeutet, einen Notgroschen von drei bis sechs Monatsgehältern beiseite zu haben und die monatlichen Ausgaben niedriger zu halten als die Einnahmen. In Zeiten von Kurzarbeit sind da so manche Anpassungen nötig. Als Selbstständiger ist es darüber hinaus auch wichtig, die eigenen Zahlungsziele im Blick behalten. Also: Kann ich meine Rechnungen bezahlen? Und werden auch meine Rechnungen von meinen Kunden beglichen?
  5. Marketing und Vertrieb: Gerade jetzt schlägt die Stunde von starkem Marketing und Vertrieb! Dabei kommt es sicherlich nicht darauf an, einfach drei Angebote mehr zu verschicken. Nun geht es viel mehr darum, die Kunden nach ihren Problemen zu fragen, sie auch wirklich zu verstehen und ihnen mit Vorschlägen zu begegnen, die wirklich helfen können. Wenn Du außerdem nicht persönlich bei Kunden vor Ort sein kannst, ist die Beziehungspflege bei bestehenden Kundenkontakten mindestens genauso viel wert.
  6. Messbare Ergebnisse liefern: Dirk Kreuter hat seine Erfahrungen aus der Dotcom-Blase und der Finanzkrise so schon einmal mitgeteilt: In solchen Zeiten fordern viele Kunden monetär messbare Ergebnisse. Sie müssen wissen, ob und wann sich die Ausgaben für ein Projekt rechnen. Für viele Beratungsangebote gilt oft, dass sie das nicht so wirklich beantworten. Jetzt ist die Gelegenheit seine eigenen Angebot einmal zu hinterfragen und hierauf anzupassen. Schwammige Ergebnisse werden einer wirtschaftlich schwierigen Phase deutlich seltener geduldet.
  7. Mehrere Kunden auf einmal: Wer bisher immer nur ein Großprojekt für mehrere Jahre begleitet hat, entdeckt jetzt vielleicht den Vorteil darin, mehrere Kunden mit kleineren Themen parallel zu betreuen. Diese Diversifikation bei Aufträgen sorgt dafür, dass die Wahrscheinlichkeit von einem Totalausfall erheblich sinkt. Gleichzeitig musst Du permanent Akquise betreiben und bist immer auf dem aktuellen Stand, was Kunden gerade bewegt. Wann immer möglich, versuche ich also mehrere Kunden gleichzeitig zu beraten.
  8. Sich selbst Digitalisieren: Das ist schon fast selbstredend in diesen Tagen: Webinare, Telefonkonferenzen oder Blog-Artikel gehören jetzt mit zum Alltag. Weil wir als Berater nur durch Sprache unser Angebot und unsere Ergebnisse liefern, verändert sich jetzt einiges. Wer bisher keine digitalen Dienste dafür nutzte, muss das jetzt sehr wahrscheinlich tun. Ein weiterer Blogartikel über meine Lieblings-Apps und -Tools wird hier sicher folgen.
  9. Auf der Bank aktiv sein: Wenn Du in einer großen Beratung angestellt bist und kein Kundenprojekt hast, dann bist Du “auf der Bank”. In vielen Fällen bist Du darauf angewiesen, dass Dein Manager oder Partner neue Aufträge an Land zieht. Hierbei solltest Du ihn wöchentlich (besser täglich) aktiv unterstützen! Frag ihn, was Du an Angeboten vorbereiten kannst, wo Du Recherche für ihn übernehmen kannst, etc. Viele weitere Tipps hat Christopher Schulz hierzu bereits zusammengeschrieben.
  10. Positionierung ändern: Falls Dein Beratungsangebot gar keinen Anklang mehr findet, musst Du Dir die unbequeme Frage nach einer anderen Positionierung stellen. Tatsächlich bedeutet das viel Aufwand, weil Du Dich in neue Themen einarbeiten musst und sich alle Inhalte in Marketing und Vertrieb noch mal ändern müssen. Deswegen ist das in meinen Augen nur der letzte Schritt, weil Du auch mit dem neuen Thema scheitern könntest. Anders: Wenn Dich ein Kunde bei einem ganz anderen Thema um Unterstützung bittet, kannst Du natürlich auch hier einen Sprung in neue Gewässer versuchen.

Allem Ungemach zum Trotz: Uns Beratern geht es in Deutschland vergleichsweise gut. Sehr gut sogar! Das sind alles echte “First-World-Problems”, wie man so schön sagt. Wenn ihr also gerade im Home-Office ein bisschen gelangweilt seid und euch über eine schlechte Skype-Verbindung ärgert: Heult bitte leise!


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Anfang 30, aus dem Rheinland und seit einigen Jahren Unternehmensberater. Privat bin ich gerne an Kickertischen oder Kletterwänden unterwegs. Dazu begeistert mich alles, was mit Technik oder Unternehmertum zu tun hat.

2 Kommentare

  1. Bislang bin ich glücklicherweise von der “Bank” verschont geblieben. Allerdings stimmt es leider, dass sich die Beratersituation grundlegend geändert hat. Auch wenn viele Mandanten nach wie vor Beratungen wünschen und diese in Anspruch nehmen, bleibt es trauriges Fakt, dass die Ressourcen diesbezüglich geschont werden sollen.
    Es ist eine Katze, die sich in den Schwanz beißt. Vielfach ist eine gute Beratung für den Bestand und das Überleben eines Unternehmens wichtig. Doch wenn die finanziellen Ressourcen das Budget nicht mehr “füttern” können, fallen wir als Berater in einigen Fällen – zusammen mit Webcontent-Writern für einen erfolgreichen Online-Auftritt – oft von der Platte und auf die von Ihnen zitierte Bank.

  2. Es sind härtere Zeiten in verschiedenen Branchen!
    Aber oben sehr gut beschrieben was man alles tun kann!
    dies ist für mich wieder Ansporn die Finanzen und alles was dran hängt zu analysieren und gegenfalls anzupassen!
    danke für den Blog!

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