Mal angenommen, die Digitalisierung kommt

Am Wochenende ist ein Artikel im Spiegel Online über die Digitalisierung erschienen. Weil diese Sau mittlerweile so oft durchs Dorf getrieben wird, überfliege ich Artikel dazu nur noch. Doch dieses Mal war das anders.

Denn der Artikel ging nicht nur darauf ein, wie viele Jobs die Digitalisierung überflüssig macht. Die Autorin zitierte auch eine Studie des Weltwirtschaftsforums:

Demnach könnten schon bis 2022 weltweit rund 75 Millionen Arbeitsplätze wegfallen beziehungsweise durch Maschinen ersetzt werden. Zugleich sollen laut der Studie in den kommenden fünf Jahren 133 Millionen neue Stellen geschaffen werden, für die teilweise aber ganz neue Fachkenntnisse nötig sein werden.

Hoppla! Bislang war in den meisten Berichten immer nur von den ganzen Jobverlusten die Rede. Wie kommt es denn auf einmal, dass plötzlich von deutlich mehr neuen Stellen geredet wird?

Ein Blick in die Glaskugel

Natürlich wirkt es auf den ersten Blick erschreckend: Wenn wir selbstfahrende Autos und Bahnen haben, dann werden viele der Taxi-, der LKW- oder der Bahn-Fahrer von heute nicht mehr hinter dem Lenkrad gebraucht. Dasselbe gilt für viele andere Berufsgruppen, von der Fabrik bis Supermarktkasse.

Doch bevor diese Aufzählung wieder in Angst und Panik endet, möchte ich gerne eine Reihe an hypothetischen Fragen stellen:

  • “Mal angenommen, dass … ?”
  • “Was wäre, wenn … ?”
  • “Stellen Sie sich vor … ?”
  • “Wie würden Sie … ?”

Solche und so ähnliche Fragen haben mir in der Beratung von Kunden immer wieder geholfen. Sie sind kleine Wunderwaffen im Gespräch mit Entscheidern. Denn sie zwingen eine Ergebnisorientierung, ein Denken von möglichen Endzuständen her.

Da ich persönlich bei der Digitalisierung mit an vorderster Front kämpfe (und automatisiere was das Zeug hält), kann ich hier mal ein paar Erkenntnisse schildern:

  • Jede Technologie, ob Hardware oder Software, hat ihren Zyklus:
    1. Von brandneu und kaum verbreitet
    2. Über fortschrittlich und maximal genutzt
    3. Bis hin zu alt und nicht mehr zu gebrauchen.
  • Alles was jemals an Systemen und Maschinen eingeführt wird, muss mit ordentlich Zeitaufwand gewartet und gepflegt werden.
  • Die meisten durch die Digitalisierung frei gewordenen Kapazitäten werden oft direkt durch andere Bereiche und Projekte gebunden.

Also mal angenommen, wir führen ein System ein: Wer hält die Daten aktuell? Was wäre, wenn es bald neuere Maschinen gibt: Wie ersetzen wir die Alten? Oder stellen Sie sich vor, der Konkurrent führt das gleiche System ein: In welche Richtung wachsen wir dann am besten?

Die Antworten auf diese Fragen zeigen häufig, dass die Digitalisierung zwar eine Weiterentwicklung ist, aber keineswegs ein Ende aller Beschäftigung. Das zeigt auch die Vergangenheit.

Ein Blick in den Rückspiegel

Auf der Farnam Street gibt es immer wieder interessante Artikel, ganz besonders für Berater. Zuletzt erläuterte der Blogger einmal mehr das Bayessche Theorem. Salopp gesagt geht es dabei darum, den bisherigen Ereignissen eine Gewichtung zu geben und diese laufend zu justieren.

Was waren zum Beispiel vergangene Ereignisse, die ähnliche Bedeutungen hatten? Der Übergang von Industrie 1.0 (Handarbeit) zu Industrie 2.0 (Maschinen). Oder der Übergang von Industrie 2.0 zu Industrie 3.0 (Computern).

Beide Ereignisse hatten gemeinsam, dass sie zu einer hohen Produktionssteigerung führten und nicht auf einmal die gesamte Menschheit arbeitslos wurde. Gleichzeitig sind viele Arten der Arbeit aus früheren Zeiten erhalten geblieben, wie etwa Handarbeit. Und je nach Branche und Nische werden sie auch heute noch sehr stark wertgeschätzt.

Dazu kommt ein Blick auf die kürzere Vergangenheit: Wie viele neue Jobs gibt es erst seit ein paar Jahren? Schon alleine jeder Beruf, der irgendwie mit dem Internet verbunden ist, ist erst in den letzten 10-20 Jahren entstanden (Online-Shop, Social Media, App-Entwicklung, usw.).

Wenn Du diese Ereignisse bewertest, lang- wie kurzfristig:

  • Wie wahrscheinlich ist es, dass mit der Digitalisierung plötzlich eine Massenarbeitslosigkeit ausbricht?
  • Und wie wahrscheinlich ist es außerdem, dass wir dabei viele neue Fähigkeiten für unsere Jobs dazu lernen müssen?

Sowohl meine persönliche Arbeit mit dem Thema als auch der Blick in den Rückspiegel zeigen mir, dass die Digitalisierung selbst nicht das Schreckgespenst ist. Was Sorge bereitet, ist die Notwendigkeit sich selbst mit verändern zu müssen. Und die Angst, dass der eigene Arbeitsplatz in Zukunft nicht mehr da ist, ist mehr als verständlich.

Allerdings ist Angst ein schlechter Ratgeber. Wenn ich Angst vor etwas habe, dann passiert vor allem eines: Nichts! Doch genau das Gegenteil muss passieren. Wir alle müssen mutig Schritte nach vorne machen und neue Dinge lernen, um diesen Wandel zu überstehen.


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Anfang 30, aus dem Rheinland und seit einigen Jahren Unternehmensberater. Privat bin ich gerne an Kickertischen oder Kletterwänden unterwegs. Dazu begeistert mich alles, was mit Technik oder Unternehmertum zu tun hat.

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